Wenn der Arbeitgeber aus Sicht des Arbeitnehmers nicht genug Arbeitsentgelt zahlt, sollte der Arbeitnehmer nicht ohne weiteres die Arbeitsleistung verweigern. Andernfalls riskierte er eine (fristlose) Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck Berlin und Essen zum Urteil des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. Oktober 2013 – 5 Sa 111/13.
Ausgangslage
Zahlt der Arbeitgeber den Arbeitslohn des Arbeitnehmers nicht, kann der Arbeitnehmer grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung geltend machen. D.h. er muss nicht arbeiten. Ist die Leistungsverwaltung des Arbeitnehmers berechtigt, liegt auch kein Arbeitsvertragsverstoß vor. Dementsprechend ist auch eine darauf gestützte (fristlose) Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam. Der Standardfall für die Geltendmachung eines Zurückhaltungsrechtes ist gegeben, wenn der Arbeitgeber zum Beispiel wegen einer (vorübergehenden) Zahlungsunfähigkeit mit dem Entgelt für mehr als einen Monat in Rückstand ist. Hier muss der Arbeitnehmer aufpassen: da er nur für die letzten drei Monate vor einer späteren Insolvenz Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit bekommt, läuft er Gefahr am Ende kein Entgelt für seine Tätigkeit zu bekommen. Spätestens wenn ein Arbeitsgeber daher mehr als zwei Monate im Rückstand mit Arbeitsentgelt ist, muss über die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes nachgedacht werden. In allen anderen Fällen, in denen es in erster Linie um den Streit über die Höhe der geschuldeten Arbeitsvergütung geht, ist äußerste Vorsicht bei der Geltendmachung eines Zurückhaltungsrechtes geboten. Hier ist Arbeitnehmern in der Regel zu raten, zunächst weiter zu arbeiten und die Differenzentgelte dann gegebenenfalls mit gerichtlicher Hilfe einzuklagen. Wie gefährlich ein anderes Vorgehen ist zeigt auch der nachfolgend zu besprechende Fall des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. Oktober 2013 – 5 Sa 111/13 –, juris. Nimmt der Arbeitnehmer zu Unrecht die Voraussetzungen eines Zurückbehaltungsrechts an, kann die Verweigerung der Arbeitsleistung einen verhaltensbedingten Grund zur ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung darstellen Der Arbeitnehmer trägt insoweit grundsätzlich das Irrtumsrisiko (ErfK/Preis, 13. Aufl., Rn. 690 zu § 611 BGB).
Fall
Der Arbeitnehmer hat mit dem Arbeitgeber eine so genannte Akkordlohnvereinbarung getroffen. Aufgrund der konkreten Vorgaben im Rahmen eines Bauprojektes ergab sich bei realistischer Annahme des zu erziehenden Arbeitsergebnisses innerhalb der vorgegebenen Zeiten ein aus Sicht des Arbeitnehmers viel zu niedriger Stundenlohn. Der gekündigte Arbeitnehmer verlangte vom Geschäftsführer seines Arbeitgebers eine entsprechende Anpassung, bzw. realistische Vorgaben. Der Geschäftsführer wollte sich darauf nicht einlassen. Der Arbeitnehmer verweigerte daraufhin die Arbeitsleistung. Daraufhin drohte der Geschäftsführer mit einer fristlosen Kündigung. Der Arbeitnehmer vor trotzdem nach Hause. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos.
Urteil
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hier die Kündigung für wirksam. Er stützte sein Urteil im wesentlichen darauf, dass der Kläger gemäß § 614 BGB hinsichtlich der Arbeitsleistung vorleistungspflichtig ist. Zum Zeitpunkt der Verweigerung der Arbeitsleistung habe noch nicht einmal festgestanden, in welcher Höhe Vergütung anfallen würde. Vergütungsansprüche seien im übrigen auch noch gar nicht fällig, ja noch nicht einmal entstanden gewesen. Wegen der Vorleistungspflicht hätte der Kläger zunächst arbeiten müssen.
Dass der Kläger sich über seine Verpflichtung zur Vorleistung geirrt habe, sei zwar im Wege der Gesamtabwägung mit zu berücksichtigen. Dies führe allerdings im Ergebnis zu keiner anderen Bewertung (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. Oktober 2013 – 5 Sa 111/13 –, juris).
Bewertung
Das Urteil ist wohl im Ergebnis richtig. Derart einschneidende Maßnahmen wie ein Zurückhaltungsrecht an der Arbeitsleistung dürfen nicht quasi ins Blaue hinein geltend gemacht werden. Jeder Arbeitnehmer kann zunächst einmal tätig werden und sich dann gegebenenfalls später das ihm zustehende Arbeitsentgelt mithilfe der Gerichte einklagen.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber
Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber obsiegt. Gleichwohl sollte in derartigen Fällen vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung vorsorglich immer noch eine (schriftliche) Abmahnung erteilt werden. Für den Zeitraum der Arbeitsverweigerung schuldet man selbstverständlich nur dann Vergütung, wenn sich der Arbeitnehmer zu Recht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen konnte. Eine andere Frage ist, ob ein derart einschneidendes Schwert wie die fristlose Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt ist.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer
Arbeitnehmer sollten bei Zahlungsverzug des Arbeitgebers zwei Punkte beachten:
Wenn der Zahlungsverzug länger als zwei Monate andauert, muss über ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung nachgedacht werden. Andernfalls riskiert man, dass man später keine Vergütung für seine Arbeitsleistung bekommt. Das Zurückbehaltungsrecht sollte immer angekündigt werden. D.h. man fordert den Arbeitgeber unter Fristsetzung zur Zahlung auf und kündigt an, dass für den Fall des erfolglosen Verstreichens der Frist das Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung ausgeübt wird.
Bei Streitigkeiten über die Höhe der Arbeitsvergütung, sollte man generell kein Zurückbehaltungsrecht ausüben. Alles andere gefährdet den Bestand des Arbeitsverhältnisses, wie der vorliegende Fall deutlich zeigt.
18.2.2014