Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbung – wie ernsthaft muss die Bewerbung sein?

Stand: 1970/01/01 00:00:00

Diskriminierungsschutz: Zum Vorlagebeschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Juni 2015 – 8 AZR 848/13 (A)

Ausgangslage

Arbeitgeber müssen bei der Formulierung von Stellenanzeigen große Sorgfalt an den Tag legen. Es gilt insbesondere, den Anschein einer Diskriminierung zu vermeiden. Formulierungen wie „junger dynamischer Mitarbeiter gesucht“ können gleich mehrfach diskriminieren, in diesem Fall wegen des Alters und der Geschlechtszugehörigkeit. Wer sich auf solche Stellenanzeigen bewirbt, eine Absage bekommt und anschließend eine Entschädigung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verlangt, hat gute Aussichten, da der Arbeitgeber beweisen muss, dass tatsächlich keine Diskriminierung vorlag. Das ist in der Praxis gar nicht so einfach. Umstritten sind die Fälle der so genannten AGG-Hopper. Das sind Menschen, die sich die für potentielle Arbeitnehmer günstige Rechtslage zu Nutze machen und sich eine dauerhafte Erwerbsquelle durch gezielte Bewerbung auf problematische Stellenanzeigen hin verschaffen wollen. Ist es für Ansprüche nach dem AGG erforderlich, dass der Bewerber ernsthaft an dem jeweiligen Job interessiert ist?

Fall

Im vorliegenden Fall ging das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass eine Bewerbung nicht ernsthaft war. Wie fast nicht anders zu erwarten handelte es sich um einen Juristen. Das besondere an der Bewerbung: es handelte sich um ein Traineeprogramm eines Versicherungskonzerns, der Bewerber verfügte über einen Hochschulabschluss und war bereits jahrelang als leitender Angestellter und Rechtsanwalt tätig gewesen. Das Programm richtete sich ersichtlich an Berufsanfänger, das Bundesarbeitsgericht nahm dem Bewerber schlichtweg nicht ab, dass er es mit der Bewerbung ernst meint. Nun stellt sich die Frage, ob auch in solchen Fällen Ansprüche nach dem AGG in Betracht kommen. Der Jurist verlangt 14.000 € Entschädigung.

Entscheidung

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Gerichtshof der Europäischen Union ua. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass auch derjenige „Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit“ sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?

Quelle

Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 18. Juni 2015 – 8 AZR 848/13 (A) –

Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 18. März 2013 – 7 Sa 1257/12

Fachanwaltsstipp Arbeitgeber

Seien Sie vorsichtig bei der Formulierung von Stellenanzeigen. Selbst wenn der Europäische Gerichtshof die Frage zu Gunsten der Arbeitgeber beantworten sollte und AGG-Hoppern das Handwerk legt: Sie müssen beweisen, dass es sich um einen solchen handelt. Das war dem Arbeitgeber im vorliegenden Verfahren zur Überzeugung des Bundesarbeitsgerichts gelungen. In der Praxis ist das Ganze aber weniger einfach. Entsprechende Listen werden meiner Erkenntnis nach mittlerweile nicht mehr weitergeführt. Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten sind diese auch äußerst problematisch. Das betrifft dann auch die Verwendung von auf solche Art gewonnenen Daten. Es bleibt in solchen Fällen dann oft nichts weiter übrig, als herum zu telefonieren, um gleichermaßen betroffene Arbeitgeber zu finden. Besser man lässt es gar nicht erst dazu kommen. Um Formulierungsprobleme bei Berufen zu vermeiden, die typischerweise auf ein bestimmtes Geschlecht (zum Beispiel Ingenieur, Sekretärin usw.) hindeuten, können Sie auf den Zusatz (M/W) zurückgreifen.

Fachanwaltsstipp Arbeitnehmer

Wenn Sie Ansprüche nach dem AGG geltend machen wollen, müssen Sie zügig handeln. Gemäß § 15 Abs. 4 AGG muss ein Anspruch innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach dem Zugang der Ablehnung bzw. dem Zeitpunkt, in dem man von der Ablehnung Kenntnis erlangt, schriftlich geltend gemacht werden. Es kann immer nur eine Entschädigung verlangt werden. Ein Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder Berufsausbildungsverhältnisses oder wie im vorliegenden Fall der Teilnahme am Traineeprogramm ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 15 Absatz 6 AGG).

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