Durch bloßes Zuwarten kein Schmerzensgeld wegen Mobbing

Stand: 1970/01/01 00:00:00

Beweisaufnahmen über Mobbingvorwürfe sind aufwändig und unerfreulich. Arbeitnehmer, die ihren Arbeitgeber wegen Mobbing/Bossing in Anspruch nehmen wollen, haben es vor deutschen Gerichten schwer. Das liegt zum einen an dem völlig unzureichenden gesetzlichen Schutz der Mobbingopfer und zum anderen an einer sehr restriktiven Rechtsprechung der Arbeitsgerichte. Umso erfreulicher ist, dass das Bundesarbeitsgericht in dem folgenden Fall zumindest einem allzu sorglosen Umgang der Instanzgerichte mit dem Instrument der Verwirkung der Ansprüche einen Riegel vorgeschoben hat.

Hier wird eine Menge schmutzige Wäsche gewaschen, meistens weder zum Vorteil des Arbeitnehmers noch des Arbeitgebers. Die Versuchung der Gerichte ist, das Problem durch formale Einwände zu umgehen. Folgender Fall verdeutlicht das Problem:

Der Arbeitnehmer macht gegen seinen früheren Vorgesetzten einen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Höhe von „mindestens 10.000 €“ geltend. Der Vorgesetzte soll ihn schikanös und herabwürdigend behandelt haben. Der letzte im Raum stehende Vorwurf soll am 8.2.2008 stattgefunden haben. Die Klage ging Ende Dezember 2010 bei Gericht ein.

Vorangegangenes Urteil des Landesarbeitsgerichts:

Das Landesarbeitsgericht hatte eine Beweisaufnahme über die Vorwurf abgelehnt und die Klage allein wegen Verwirkung der in Rede stehenden Ansprüche abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht vertrat die Auffassung, dass ein derart langes Zuwarten treuwidrig sei.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts:

Das Bundesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht muss nun Beweis erheben. Allein das Zuwarten ist nicht als treuwidrig anzusehen. Das Bundesarbeitsgericht weist darauf hin, dass ein langes Zuwarten nur dann für die Annahme einer Verwirkung herangezogen werden kann, wenn eine Pflicht zur zeitnahen Geltendmachung bestanden hat. Diese wurde hier verneint. Das Gericht weist weiter darauf hin, dass das durch Richterrecht entstandene Institut der „Verwirkung“ im Ergebnis nicht dazu führen darf, dass die gesetzlichen Verjährungsfristen unterlaufen werden. Fazit: Der Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbings (§§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) kann zwar verwirken, dafür genügen jedoch ein bloßes „Zuwarten“ oder die Untätigkeit des Anspruchstellers nicht.

Bewertung:

Das Urteil ist aus den oben genannten Gründen erfreulich. Es ist auch richtig. Schließlich muss berücksichtigt werden, dass hier nicht vertragliche Ansprüche geltend gemacht werden, sondern gesetzliche Schmerzensgeldansprüche. Besondere Verpflichtungen zu einer Rücksichtnahme auf den Anspruchsgegner bestehen daher nicht. Der Fall läge vielleicht anders, wenn der Kläger zum Beispiel den (nicht persönlich mobbenden) Arbeitgeber verklagt und hier auch vertragliche Ansprüche als Grundlage herangezogen hätte.

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