Eigenbedarfskündigung – Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nutzungswunsches

Stand: 1970/01/01 00:00:00

Ausgangslage

Vermieter können bei Eigenbedarf eine Eigenbedarfskündigung relativ einfach durchsetzen, wenn die Eigenbedarfskündigung nicht durch vertragliche Vereinbarungen (manchmal ungeschickte Formulierungen auch im Formularmietvertrag) ausgeschlossen ist und keine Sperrfrist für die Eigenbedarfskündigung wegen Umwandlung der Wohnung in Wohnungseigentum läuft. Diese vermieterfreundliche Rechtsprechung verführt die Gerichte in der Praxis gelegentlich dazu, allzu lax über die prozessual erhobenen Einwände des Mieters hinwegzugehen. Manchmal hilft in solchen Fällen dann nur noch die Verfassungsbeschwerde.

Verletzung rechtlichen Gehörs begründet eine Verfassungsbeschwerde

Eigenbedarfskündigungen beschäftigen immer wieder die Verfassungsgerichte. Bei einem Urteil zu Gunsten des Mieters geht es häufig darum, dass die grundrechtlich geschützten Eigentumsrechte des Vermieters verletzt sein können.

Aber auch wenn der Mieter unterliegt, sind in der Praxis Urteile gelegentlich angreifbar. Die Anforderungen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung an die Gerichte sind hoch. Gerichte dürfen insbesondere das substantiierte Bestreiten des Mieters hinsichtlich des Vorliegens von Eigenbedarf nicht einfach übergehen. Die Anforderung sind deshalb sehr hoch, weil der Vermieter es relativ einfach hatte, den Eigenbedarf zu behaupten und zu belegen. Die vorgetragenen Tatsachen zur künftigen Nutzung sind schwer zu widerlegen. Umso genauer müssen die Gerichte hinschauen, umso intensiver müssen sie sich mit dem Vortrag des Mieters auseinander setzten.

Gerichte müssen den Zweifeln am tatsächlichen Eigenbedarf des Vermieters nachgehen, soweit dieser bestritten wird. Das Fachgericht ist bei der Eigenbedarfskündigung iSv § 573 Abs 2 Nr 2 BGB verpflichtet, sämtlichen vom Mieter vorgetragenen Gesichtspunkten nachzugehen, welche Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Selbstbenutzungswunsches des Vermieters begründen (Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 01. Juni 2010 – 13/10 –, juris)

Auch ein Ignorieren bestimmter vom Mieter vorgetragener Tatsachen (zum Beispiel weil es zu einer weiteren Prozessverzögerung wegen notwendiger Beweisaufnahme führen würde) macht das Urteil angreifbar.

Geht ein Fachgericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags oder der Rechtsausführungen einer Partei zu einer zentralen Frage des Verfahrens nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern dieser nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich war (Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 11. März 2011 – 164/06 –, juris).

Fachanwaltsstipp Vermieter

Sollten Sie eine Räumungsklage verloren haben, müssen Sie immer auch an die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde denken. Insbesondere wenn Gerichte ihre Vorstellung vom Umfang eines vernünftigen Eigenbedarfs an die Stelle des Vermieters setzen, liegt ein grundrechtsrelevanter Verstoß nahe.

Fachanwaltsstipp Mieter

Bestreiten Sie den gesamten Tatsachenvortrags des Vermieters. Soweit Sie von dem Vortrag keine Kenntnis haben, reicht ein Bestreiten mit Nichtwissen. Sie können nicht wissen, ob beispielsweise der Sohn des Vermieters tatsächlich in Berlin Jura studieren will. Bestreiten sie es also. Weisen Sie auf alle Umstände hin, die eine mangelnde Plausibilität der Eigenbedarfskündigung begründen können. Hatte der Vermieter zum Beispiel in der Vergangenheit erfolglos versucht eine Mieterhöhung oder eine Modernisierung durchzusetzen, stellt sich die Frage, ob der nun folgende Eigenbedarf nicht vorgeschoben ist. Tragen Sie solche Fragwürdigkeiten im Prozess ausdrücklich vor.

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