Fristlose Kündigung wegen sozialadäquaten Kinderlärms zulässig

Stand: 1970/01/01 00:00:00

Ein fragwürdiger Beschluss des Landgerichts Hannover vom 4.3.2015, zum Aktenzeichen 19 S 88/14.

Ausgangslage

Kinder in einer Mietwohnung bedeuten regelmäßig für die darunter wohnende Partei, aber auch für andere Parteien des Hauses, eine erhöhte Lärmbelästigung. Bei weniger kinderfreundlichen Menschen oder wenn es noch andere Gründe für Ärger im Mietverhältnis gibt, kann schnell die Idee entstehen, den Lärm als Mangel anzusehen und gegenüber dem Vermieter Ansprüche geltend zu machen. Was kann der Vermieter tun?

Kinderlärm regelmäßig kein Mietmangel, Abmahnungsgrund, Kündigungsgrund

Wiederholt auftretender und nachhaltiger Lärm, von einem Mieter nachweislich verursacht, kann jedenfalls nach vorangegangene Abmahnung grundsätzlich auch eine Kündigung wegen Störung des Hausfriedens rechtfertigen. Wird der Lärm durch Kinder verursacht, sieht die Angelegenheit regelmäßig anders aus. Der überwiegende Teil der Rechtsprechung hält solche Kündigungen für unwirksam, weil es sich bei Kinderlärm um ein sozialadäquates Verhalten handelt

Dazu einige Urteile:

Kinderlärm in der Mietwohnung des Mehrfamilienhauses ist von den Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen (AG Frankfurt, Urteil vom 09. September 2005 – 33 C 3943/04, 33 C 3943/04 – 13 –, juris).

Kinderlärm im Rahmen normaler Wohnnutzung begründet keine fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Störung des Hausfriedens (LG Bad Kreuznach, Urteil vom 03. Juli 2001 – 1 S 21/01 –, juris).

Kleinkinderlärm ist sozialadäquat. Diesen müssen Mitbewohner in Mehrfamilienhäusern im Grundsatz hinnehmen. Es gibt kein Recht zu Minderung oder fristloser Kündigung (AG Hamburg-Bergedorf, Urteil vom 11. November 2008 – 409 C 285/08 –, juris).

Ob eine Verletzung mietvertraglicher Pflichten darin zu sehen ist, dass insbesondere der fünfjährige Sohn des Mieters trotz des Verbotsschildes auf dem Garagenhof und nicht bloß auf dem angrenzenden Spielplatz (zusammen mit anderen Kindern) spielte und dabei den üblichen Spiellärm erzeugte, kann letztlich dahinstehen. Eine solche Pflichtverletzung erreicht jedenfalls nicht die in § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorgesehene Erheblichkeitsschwelle für eine wirksame Kündigung des Wohnraummietvertrages. Es liegt auch kein wichtiger Grund i.S.d §§ 543, 569 BGB vor (LG Wuppertal, Urteil vom 29. Juli 2008 – 16 S 25/08 –, juris).

Es gibt aber auch (vergleichsweise wenige) Gerichte, die eine fristlose Kündigung grundsätzlich für denkbar halten:

Die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 553 BGB wegen des Lärms der Kinder des Mieters setzt grundsätzlich eine Abmahnung und einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Abmahnung, erneutem Verstoß und Kündigung voraus (LG Halle (Saale), Urteil vom 11. Januar 2002 – 1 S 192/01 –, juris). Im Ergebnis hatte das Gericht die Kündigung nur wegen des fehlenden engen zeitlichen Zusammenhangs als unwirksam angesehen.

Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 4.3.2015

Das Landgericht Hannover vertritt die Auffassung, dass grundsätzlich auch als sozialadäquat hinzunehmen der Kinderlärm nicht mehr zu tolerieren ist, wenn Intensität, Dauer und zeitliches Auftreten des Lärms auch unter Berücksichtigung des kindlichen Spiel- und Bewegungsdrang das zumutbare Maß überschreiten. Mit dieser Begründung hat das Landgericht (wie schon zuvor das Amtsgericht) die fristlose Kündigung des Vermieters für wirksam gehalten und der Räumungsklage stattgegeben. Das Landgericht ist insbesondere der Meinung, dass sozialadäquater Kinderlärm nur während der allgemeinen Tageszeiten hinzunehmen sei.

Kritik

Zunächst bedarf es immer einer Grundsatzentscheidung. Ist Kinderlärm sozialadäquat? Dann ist er generell hinzunehmen und kann keinen Verstoß gegen den Mietvertrag begründen. Eine pauschale Unterscheidung zwischen Kinderlärm am Tag und Kinderlärm in der Nacht dürfte hinsichtlich der Sozialadäquanz nicht möglich sein. Kinder schreien (üblicherweise aus anderen Gründen) auch und gerade nachts.

Selbst wenn man will sie das Landgericht hier zu dem Ergebnis kommt, dass Kinder nachts nicht schreien und wenn sie dann doch schreien, dies nicht mehr sozialadäquat ist, hätte das Landgericht bei diesem Befund nicht verweilen dürfen.

Für ein Vertragsverstoß wäre zum weiteren noch ein Verschulden zu prüfen. Vertragspartner sind nicht die Kinder, so dass es hier auf ein mögliches Verschulden der Eltern (in diesem Fall der alleinerziehenden Mutter) ankäme. Ausweislich der Entscheidung handelte es sich um eine alleinerziehende Mutter mehrerer Kinder. Es dürfte dieser Mutter (wie auch allen anderen Eltern) kaum möglich gewesen sein, Lärm der Kinder zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund ist auch ein Verschulden kaum denkbar.

Fachanwaltstipp Mieter

Wenn Sie Ärger mit Nachbarn oder dem Vermieter wegen Lärmbelästigungen durch Ihre Kinder haben will, sollte dies sieht dieses wegen des gestörten Miteinanders im Haus ernst nehmen. Rein rechtlich haben Sie im Allgemeinen wenig zu befürchten. Das gilt möglicherweise dann nicht, wenn Sie im Bereich Halle oder Hannover wohnen. Hier sollten Sie Ihre Kinder darauf hinweisen, dass diese nachts ruhig sein müssen. Zumindest wenn Sie dies nachweislich getan haben, dürfte tatsächlich jedwedes Verschulden ausgeschlossen sein.

Fachanwaltstipp Vermieter

In der Praxis wird Ihnen diese Entscheidung des Landgerichts Hannover nicht helfen. Es ist eine Einzelfallentscheidung, sie liegt neben der Spur und widerspricht sich bereits selbst. Wenn sie gleichwohl versuchen, Mieter wegen Lärmbelästigungen durch deren Kinder loszuwerden, gehen Sie ein erhebliches Risiko ein, am Ende mit einem verlorenen Prozess und entsprechenden Kosten sitzen zu bleiben. Möglich ist allerdings, unter Berufung auf die oben zitierte Entscheidung gegenüber den Mietern Druck zu machen, um diese wiederum anzuhalten, ihre Kinder zu beruhigen.

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