Mietpreisbremse als Gegenstand der Verhandlungen der Arbeitsgruppe „Bau, Verkehr, Infrastruktur“ von Union und SPD. Was ist von solcher Mietpreisbremse zu erwarten? Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht in Berlin und Essen.
Was ist geplant?
Mieter und Vermieter haben kaum die Mietrechtsreform 2013 verdaut, da drohen neue Änderungen. Diese scheinen zunächst einmal mieterfreundlich zu sein. Allein der Begriff „Mietpreisbremse“ deutet darauf hin, dass beabsichtigt ist, dem Anstieg der Mietpreise entgegenzuwirken. Nach bisherigen Erkenntnissen scheint geplant zu sein,
- den Berechnungszeitraum der maximalen Mieterhöhung von 20 % (bzw. 15 % in Regionen mit knappem Wohnraum) von bisher drei Jahren auf nunmehr vier Jahre zu erhöhen:
- Mieterhöhungen bei Neuvermietung der Höhe nach auf 10 % über dem ortsüblichen Mietzins (Mietspiegel) zu begrenzen. Diese waren bislang unbegrenzt zulässig.
Wie ist die Ausgangslage?
Hier muss man unterscheiden: Während bei bestehenden Mietverhältnissen die Mieterhöhung bereits bislang vernünftig begrenzt ist, gibt es bei Neuvermietungen überhaupt keine Grenzen. Das führte vor allem in Regionen mit einer Unterversorgung an Wohnraum oder/und in Region die auf Grund vermuteter Wachstumspotentiale verstärkt Ziel von Kapitalanlegern sind, dazu das Vermieter versuchen, Mieter aus ihren Wohnungen zu drängen, um anschließend wesentlich günstiger und den Marktbedingungen angepasster vermieten zu können. In Ballungszentren wie Berlin für dies zu einem starken Auseinanderklaffen zwischen den Mietpreisen bei Neuvermietung und den Bestandsmieten. Gerade in großstädtischen Ballungsräumen ist in den letzten Jahren der Mietzins enorm gestiegen. Dies ist vor allem auf einen Anstieg der Mieten bei Neuvermietung zurückzuführen.
Ausgangslage bei Neuvermietung
Hier gibt es bislang für Vermieter überhaupt keine Begrenzungen. Das bedeutete, dass der Vermieter bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit, die Miete bei einer Neuvermietung nach Belieben festsetzen konnte. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit wurde bislang selten überschritten, weil es auf dem Markt noch nicht derart eng war, dass Mieter überhaupt bereit waren solch hohen Mieten zu akzeptieren.
Ausgangslage in bestehenden Mietverhältnissen
In bestehenden Mietverhältnissen ist die Mieterhöhung bislang durch drei Grenzen eingeschränkt. Zum einen darf die Netto-Miete nur alle 15 Monate erhöht werden.
Zum anderen darf sich die Miete um maximal 20 % (in bestimmten Regionen, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit Mietraum gefährdet ist nach vorheriger Festlegung im Rahmen einer Verordnung um maximal 15 %) erhöhen.
Schließlich darf die Erhöhung maximal bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (Mietspiegel) erfolgen.
Alle drei Grenzen müssen jeweils beachtet werden, sonst ist eine (teilweise) Mieterhöhung unwirksam.
§ 558 Bürgerliches Gesetzbuch
(1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Das Mieterhöhungsverlangen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden.
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(3) Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze). Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.
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Mutmaßliche Auswirkungen der geplanten Änderungen
Frühere mit Mietrechtsänderungen schienen zunächst zumindest in der Ausgangslage gut gemeint und vernünftig realisierbar. in der Umsetzung kam es dann wohl aufgrund der unterschiedlichen Einflüsse der Interessensgruppen (Mieter- und Vermieterverbände) zu enormer Verwirrung. Das Ziel ein verständliches und überschaubares Mietrecht zu schaffen, hat der Gesetzgeber dabei vollständig aus dem Auge verloren. Die so genannte Mietpreisbremse lässt bereits im Vorhinein Schlimmes befürchten. Zunächst aber die mutmaßlichen Vorteile:
Zu erwartende Verbesserungen für Mieter durch die „Mietpreisbremse“
Sowohl die Begrenzung der Erhöhungsmöglichkeiten im Bereich der Bestandsmieten, als auch die Begrenzung der Erhöhung bei Neuvermietung werden sich in Teilmärkten auf den Mietpreis bremsend auswirken. Dies wird selbst verständlich nur dort der Fall sein, wo bereits jetzt enorme Anstiege zu verzeichnen sind (Berlin usw.). Langfristig wird sich die Verzögerung des Preisanstiegs auch im Mietspiegel wieder finden, so dass die dort ausgewiesenen Vergleichsmieten geringer steigen werden und damit letztlich auch die mit Erhöhungsmöglichkeiten im Bestand eingeschränkt sind.
Zu erwartende Verschlechterungen für den Markt insgesamt
Beobachtungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass günstige Mieten vor allen Dingen durch ausreichenden Bestand an Wohnraum gesichert werden. So gab es in den vergangenen Jahren in Berlin niedrige Mieten, obwohl Berlin schon etwas länger Hauptstadt und damit attraktiv für das Umland/Ausland ist. Grund für die vergleichsweise sehr niedrigen Mieten war vor allem, dass in früheren Zeiten viel gebaut wurde. Durch die weltweite Finanzkrise haben verstärkt Anleger den deutschen Immobilienmarkt entdeckt. Hier werden zum Teil Wohnungen angemietet, um Geld unterzubringen. Teilweise ist nicht einmal eine Vermietung des Wohnraums beabsichtigt. Das führt dazu, dass ein nicht unerheblicher Teil des Wohnraums für den Markt nicht mehr zur Verfügung steht und dass die Nachfrage nach Wohnraum enorm wächst. Kann daran die Mietpreisbremse etwas ändern? Im Hinblick auf Vermieter und Investoren wird die Mietpreisbremse vor allem bewirken, dass der Bau von neuen Wohnungen uninteressanter wird. Damit werden vermutlich weniger Wohnungen gebaut. Dies wird zu einer Verknappung und damit zu einer erhöhten Nachfrage führen.
Ich vermute vor diesem Hintergrund folgende künftigen Phänomene:
- Verringerung der Neuinvestitionen in den Wohnungsmarkt
- Verstärkte Umgehungsversuche hinsichtlich der gesetzgeberischen Regelungen
- Erhöhung der Leerstandsquote wegen fehlender Attraktivität einer Vermietung
- verstärkte Umwidmung von Wohnraum in Gewerberaum (kann durch Verordnungsgeber unterbunden werden)
- erhöhtes Konfliktpotenzial im Hinblick auf zusätzliche Restriktionen, deren Anwendung in der Praxis erhebliche Fragen aufwerfen wird: Anstieg der Streitigkeiten vor Gericht.
Zu erwartende Probleme bei der Umsetzung
Hier scheinen mir diverse Fragen völlig ungeklärt:
Will man sicherstellen, dass Vermieter nicht verstärkt Wohnraum im Gewerberaum umwandeln?
Wie geht man mit Vermietern um, die im Vertrauen auf eine bestimmte Mietzins investiert haben und nun nicht ansatzweise die zu erwarteten und kalkuliert Mieten realisieren können? das dürfte insbesondere auch die Vermieter vor große Probleme stellen, die ihr Geld für die Altersvorsorge entsprechend anlegen wollten.
Beispiel: Ein Vermieter seine Wohnung für 1000 € netto kalt vermietet und mit dieser Miete den Kaufpreis finanziert, obwohl der Mietspiegel nur 500 € hergibt. Der Mieter zieht aus. Dem neuen Mieter darf der Vermieter nunmehr die Wohnung nur noch für 550 € vermieten. Hier tut sich vermutlich eine Finanzierungslücke auf.
Fazit
Der Ansatz der Mietpreisbremse ist vernünftig. Die konkrete Umsetzung in der Praxis wirft allerdings erhebliche Fragen auf. Es werden flankierend weitere Maßnahmen des Gesetzgebers notwendig sein, um Umgehungsmöglichkeiten einzuschränken. Möglichkeiten dazu gibt es, zum Beispiel die Zweckentfremdungsverordnung mit dem Verbot der Umwandlung von Wohnräume in Gewerberäume. In der Übergangszeit sind erhebliche Verzerrungen am Markt zu erwarten. Die neuen Bedingungen und die zu erwartenden Unsicherheiten dürften Investoren eher abschrecken. Hier könnte unabsichtlich der Keim für mögliche Knappheit von Wohnungen in der Zukunft gelegt werden.
Ein Statement von Fachanwalt Bredereck zum Thema in der Zeitung „Die Welt“.
11.11.2013