Schwierigkeiten bei der Darlegung von Überstunden. Ein Beitrag zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10. April 2013 (BAG, Urteil vom 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 –, juris) von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen
Ausgangslage:
Gerade bei Ende eines Arbeitsverhältnisses kommt es oft auch zum Streit über geleistete Überstunden des Arbeitnehmers. Will der Arbeitnehmer hier erfolgreich Vergütungsansprüche für Überstunden (oder andere Ansprüche) geltend, hat er einige Hürden zu überwinden. In Arbeitsverträgen sind regelmäßig Ausschlussfristen enthalten, die Ansprüche soweit sie über einige (oft drei) Monate hinaus zurückliegenden, ausschließen, wenn diese nicht schriftlich geltend gemacht, bzw. eingeklagt werden. Der Arbeitnehmer muss außerdem die Überstunden genau darlegen. Dazu ist es erforderlich, die reguläre Arbeitszeit einschließlich der geleisteten Pausen und die anschließende Überstunden im Einzelnen zeitlich genau bestimmt darzulegen.
Arbeitnehmern, denen das alles gelungen ist, sehen sich dann häufig dem Argument des Arbeitgebers ausgesetzt, die Überstunden seien nicht angeordnet gewesen. Auch für die Anordnung der Überstunden ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweisbelastet.
Die Entscheidung:
In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte ein Arbeitnehmer nachträglich Überstundenvergütung verlangt. Er hatte in der Berufungsinstanz auch umfassend (auf 100 Seiten) für jede einzelne Stunde dargelegt, welche Tätigkeiten er erbracht haben wollte. Das Bundesarbeitsgericht hat darauf hingewiesen, dass eine substantiierte Darlegung die eine und eine glaubwürdige Darlegung die andere Sache sei. Wenn für einen sehr lang zurückliegenden Zeitraum plötzlich detaillierte Angaben gemacht werden würden, die dann noch mehrfach variiert werden, kann dies gegen die Glaubwürdigkeit des Vortrags sprechen.
Letztlich hat das Bundesarbeitsrecht aber darauf hingewiesen, dass die Beurteilung solcher Fragen nicht seine Aufgabe sei. Dafür seien die Tatsacheninstanzen zuständig. Die Klage des Arbeitnehmers wurde gleichwohl abgewiesen. Dessen man unterstelle, der Arbeitnehmer habe die Überstunden tatsächlich abgeleistet, fehle es auf der zweiten Stufe an einer ausreichenden Darlegung der Anordnung der Überstunden durch den Arbeitgeber. Das Bundesarbeitsgericht nimmt den Fall zum Anlass, insgesamt die Frage der Anordnung, bzw. Billigung, bzw. Duldung von Überstunden durch den Arbeitgeber ausführlicher zu erörtern.
Grundsätzlich Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in der Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass grundsätzlich der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet haben muss. Jedenfalls müssen diese zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein.
Auch wenn es an einer ausdrücklichen Anordnung durch den Arbeitgeber fehle, sei von einer konkludenten (stillschweigenden) Anordnung auszugehen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in einem Umfang Arbeit zuweist, die dieser unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit nur durch die Leistung von Überstunden bewältigen kann.
Will der Arbeitnehmer sich auf diese Umstände berufen, muss er darlegen,
- dass eine bestimmte angewiesene Arbeit innerhalb der Normalarbeitszeit nicht zu leisten
- oder ihm zur Erledigung der aufgetragenen Arbeiten ein bestimmter Zeitrahmen vorgegeben war, der nur durch die Leistung von Überstunden eingehalten werden konnte.
Mit der Billigung von Überstunden ersetzt der Arbeitgeber gleichsam durch eine nachträgliche Genehmigung die fehlende vorherige Anordnung schon geleisteter Überstunden. Der Arbeitnehmer muss darlegen, wer wann auf welche Weise zu erkennen gegeben habe, mit der Leistung welcher Überstunden einverstanden zu sein.
Des weiteren hat das Bundesarbeitsgericht auch noch näher definiert, wann von einer Duldung von Überstunden durch den Arbeitgeber auszugehen ist.
Voraussetzung für eine Duldung ist:
• die widerspruchslose Hinnahme der Überstunden,
• das Unterlassen von Vorkehrungen, die Überstunden künftig zu den unterbinden.
Der Arbeitnehmer hat hierzu darzulegen
• von welchen wann geleisteten Überstunden der Arbeitgeber auf welche Weise wann Kenntnis erlangt haben soll und
• dass es im Anschluss daran zu einer weiteren Überstundenleistung gekommen ist.
Erst wenn dieses feststeht, ist es Sache des Arbeitgebers, darzulegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung der von ihm nicht gewollten Überstundenleistung ergriffen hat (BAG, Urteil vom 10. April 2013 – 5 AZR 122/12 –, juris).
Bewertung:
Die Darlegungslast für Arbeitnehmer ist weiter hoch. Grundlage für die Annahme einer Duldung der Ableistung der Überstunden durch den Arbeitnehmer kann letztlich immer nur die Kenntnis des Arbeitgebers von der Ableistung der Überstunden sein. Gleichwohl ist in der Praxis zu beobachten, dass der Arbeitgeber die (regelmäßige) Ableistung von Überstunden stillschweigend entgegen nimmt. Zwischen den Parteien ist aber in der Regel auch (stillschweigend) klar, dass diese nicht vergütet werden. Der Arbeitnehmer leistet unbezahlte Überstunden in der Regel im Vertrauen auf einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, letztlich um den Arbeitgeber zufriedenzustellen. Kommt es dann (überraschend) zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, kann dieser Zweck nicht mehr erreicht werden. Nun sieht auch der Arbeitnehmer nicht mehr ein, warum er für seine geleisteten Überstunden keine Vergütung bekommen soll.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
Ansprüche des Arbeitnehmers verjähren erst nach drei Jahren. Wer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses böse Überraschungen vermeiden will, sollte in seinen Arbeitsverträgen so genannte Ausschlussklauseln verwenden. Jedenfalls wenn diese wirksam vereinbart sind, ist man abgesehen von dem unmittelbar zurückliegenden Zeitraum, relativ sicher.
Beispiel für eine Ausschlussklausel:
Ausschlussfristen
(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Die Nichteinhaltung dieser Ausschlussfrist führt zum Verlust des Anspruchs.
(2) Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Die Nichteinhaltung dieser Ausschlussfrist führt zum Verlust des Anspruchs.
(3) Die Ausschlussfristen der Absätze 1 und 2 gelten nicht für Ansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit und ebenfalls nicht bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:
Wenn in Ihrem Arbeitsvertrag oder in einem anwendbaren Tarifvertrag Ausschlussfristen enthalten sind, müssen Sie Ihre Ansprüche jeweils umgehend geltend machen. Im bestehenden Arbeitsverhältnis wird dies ungern unternommen, da man Ärger mit dem Arbeitgeber befürchtet. Für diesen Fall müssen Sie sich aber darüber im Klaren sein, dass Sie unter Umständen später Ihre Forderungen nicht mehr realisieren können. Spätestens wenn man ohnehin eine Kündigung erhält, sollte man sämtliche möglicherweise in Betracht kommenden Ansprüche umgehend zunächst schriftlich geltend machen und sicherstellen, dass man diese Geltendmachung später auch beweisen kann.
Wer sich darüber hinaus die Geltendmachung von Überstundenvergütung vorbehalten will, sollte sich deren Ableistung immer schriftlich bestätigen lassen. Fehlt eine solche Bestätigung, wird es in der Praxis sehr schwierig, die Ansprüche durchzusetzen.
18.11.2013
Hier noch ein älterer Beitrag zum Thema Überstunden: