Wie generell die Rechtslage bei streik bedingten Verspätungen von Arbeitnehmern ist, habe ich in einem Interview für Spiegelonline erklärt und hier im Video. Heute geht es speziell um die Frage, ob einem Arbeitnehmer wegen der Verspätungen auch (wirksam) gekündigt werden kann.
Verspätungen wegen des Bahnstreiks – Kein Arbeitgeber wird seinem Arbeitnehmer deswegen kündigen wollen, wenn er ansonsten mit dessen Leistung voll auf zufrieden ist. Eine Kündigung wäre ohne vorherige einschlägige Abmahnung auch nicht wirksam. Anders sieht es allerdings aus, wenn der Arbeitnehmer bereits öfter zu spät kam und deswegen auch schon Abmahnungen erhalten hat. Hier kann jede neue Verspätung das Zünglein an der Waage sein. Auch hier wird der ansonsten zufriedene Arbeitgeber über die Verfehlung hinwegsehen und höchstens Nacharbeit der verlorenen Zeit anordnen. Größer ist das Problem für die so genannten Low-Performer, die Minderleister oder für solche Arbeitnehmer, die aus anderen Gründen auf der betrieblichen Abschussliste stehen.
Dazu folgender Fall: Ein Arbeitnehmer kann zu mir mit einer verhaltensbedingten Kündigung. Er hatte mehrere Abmahnungen wegen Verspätungen und schließlich deswegen die Kündigung erhalten. Vor Gericht beriefen wir uns darauf, dass einige morgendliche Verspätungen auf Verspätungen der öffentlichen Verkehrsmittel beruhten. Unstreitig hatte der Arbeitnehmer aber auch einige Male verschlafen. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: am Ende einigten wir uns mit dem Arbeitgeber auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Obwohl der Arbeitnehmer gern im Unternehmen geblieben wäre, musste ich ihm dazu raten, das (im übrigen recht großzügige) Abfindungsangebot anzunehmen.
Das Problem im Kündigungsschutzprozess
Das Problem im Prozess: natürlich reicht eine einzige Verspätung nicht für eine Kündigung. Auch eine weitere Verspätung nach einer Abmahnung, reicht doch nicht ohne weiteres für eine Kündigung. Erst recht gilt dies, wenn der Arbeitnehmer die Verspätung auf Umständen beruht, auf die der Arbeitnehmer keinen Einfluss hat. Es kommt letztlich immer auf den Grad des Verschuldens an. Fakt ist aber auch, dass es grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers ist, wie er pünktlich zur Arbeit kommt. Gerade wenn Streiks der öffentlichen Verkehrsmittel Tage vorher in der Presse angekündigt werden, muss sich der Arbeitnehmer darauf einstellen. Er muss sich gegebenenfalls nach alternativen Beförderungsmöglichkeiten umsehen und zeitiger als sonst die Anreise antreten. Gerade Arbeitnehmern, die bereits öfter zu spät gekommen sind und deswegen vielleicht eine Abmahnung bekommen haben, sind hier weitreichende Vorkehrungen zuzumuten.
Vor Gericht passiert ansonsten folgendes (so auch in meinem oben geschilderten Fall geschehen). Der Arbeitnehmeranwalt wird argumentieren, dass der Großteil der Verspätungen auf Verschulden Dritter beruhte. Das Gericht wird auf die eindeutig und ausschließlich im Verschuldensbereich des Arbeitnehmers beruhenden Verspätungen hinweisen und im übrigen anmerken, dass auch im Falle der Mitverursachung durch Dritte eine Verantwortlichkeit des Arbeitnehmers bestehen bleibt. Es wird vor diesem Hintergrund dringend zu einem Abfindungsvergleich raten. Dazu wird das Gericht folgenden Hinweis geben: im Falle des Bestehens der fristlosen Kündigung vor Gericht, hat der Arbeitnehmer die Klage verloren, keine Abfindung und eine Sperrzeit von drei Monaten beim Bezug von Arbeitslosengeld. Welcher Arbeitnehmer wird da cool bleiben und das Verfahren durchziehen. Welcher Anwalt wird ihm dazu raten? Fazit: Es geht dann regelmäßig nur noch um die Höhe der Abfindung. Der Job ist weg.
Fachanwaltstipp Arbeitnehmer
Wenn Sie das Gefühl haben, bereits auf der Abschussliste zu stehen, sollten Sie übervorsichtig sein. Dokumentieren Sie unbedingt auch die Verspätungen anderer Kollegen. Im Prozess kann dann nämlich zusätzlich mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz, bzw. Diskriminierungsverbot argumentiert werden, wenn der Arbeitgeber diese unsanktioniert lässt. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Sie bereits eine Abmahnung wegen einer Verspätung oder einer ähnlich gelagerten Verfehlung bekommen haben. Sollten Sie eine Abmahnung wegen einer streikbedingten Verspätung bekommen, müssen Sie unbedingt über eine angemessene Reaktion nachdenken. Auch wenn eine Klage auf Entfernung einer Abmahnung in solchen Fällen in der Regel nicht sinnvoll ist, eine Gegendarstellung mit den Gründen für die Verspätung für die Personalakte ist hier immer sinnvoll.
Fachanwaltstipp Arbeitgeber
Verspätungen sind, auch wenn sie durch Streiks verursacht sind, in der Regel abmahnungswürdige Verstöße gegen den Arbeitsvertrag. Wenn Sie einen Arbeitnehmer loswerden wollen, sollten Sie solche Verstöße abmahnen. Die Anforderungen der Gerichte an wirksame Abmahnungen sind hoch. Wenn Sie dies nicht durch einen Anwalt vornehmen lassen, sollten Sie sich unbedingt genau über den notwendigen Inhalt und die Form einer Abmahnung informieren.
22.4.2015