In Nachbereitung des Germanwings-Absturzes plant die Lufthansa Presseberichten zufolge unangekündigte Gesundheitschecks bei ihren Piloten. Geprüft werden soll außerdem, ob und unter welchen Voraussetzungen die zuständigen Fluggäste von ihrer Schweigepflicht entbunden werden können. Ist ein solches Vorgehen zulässig?
Hinsichtlich der Lockerungen der Schweigepflicht hatte ich bereits meine Bedenken mitgeteilt. Aber auch Gesundheitschecks sind nicht uneingeschränkt zulässig. Im Video zum Thema noch ein paar Tipps für Arbeitnehmer mit psychischen Erkrankungen.
Verfassungsrechtliche Grundlage für Gesundheitsprüfungen/betroffenen Grundrechte
Ausgangspunkt ist das grundrechtlich geschützte Allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Piloten. Die ärztliche Untersuchung geht nämlich nicht ohne einen grundrechtsrelevanten Eingriff in die Intimsphäre des Arbeitnehmers. Diese ist besonders stark geschützt durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter des Arbeitnehmers. Der Schutz ist um so intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen (BVerfGE 89, 69, 82 f., m.w.N.).
Der Schutz besteht aber nicht unbegrenzt. Das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das gilt übrigens auch dann, wenn der Arbeitgeber sich mit dem Betriebsrat auf eine entsprechende Betriebsvereinbarung, die Kontrollen regelt, geeinigt hat (BAG 19. Januar 1999 – 1 AZR 499/98 – BAGE 90, 316).
Die Maßnahmen zur Gesundheitskontrolle müssen geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Geeignet ist die Regelung dann, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann. Erforderlich ist sie, wenn kein anderes, gleich wirksames und das Persönlichkeitsrecht weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht (dazu ausführlich und lesenswert Arbeitsgericht Hamburg, ArbG Hamburg, Urteil vom 01. September 2006 – 27 Ca 136/06 –, juris).
Angemessen ist die Regelung, wenn sie auch im engeren Sinne verhältnismäßig erscheint. Um dies festzustellen, bedarf es einer Gesamtabwägung der Intensität des Eingriffs gegen das Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe. Dabei darf insgesamt die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten werden (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 -) .
Ergebnis für die Checks bei der Lufthansa abhängig vom letztendlich geplanten Inhalt und der Vorgehensweise
Angewandt auf den Fall bedeutet dies zunächst, dass immer die jeweils konkreten Maßnahmen geprüft werden müssen, die derzeit im Detail noch nicht bekannt sind. Soweit sich betroffene Arbeitnehmer zu Wehr setzen, werden die Gerichte hier besonders genau hinschauen müssen. Klar ist, dass der Arbeitgeber hier mit dem erheblichen Gewicht der rechtfertigenden Gründe, Leben und Gesundheit der Fluggäste, Flugsicherheit usw., argumentieren kann. Das hilft aber alles nichts, wenn er nicht über die Schwelle der Geeignetheit hinwegkommt. Diese muss nachweislich bestehen und bewiesen werden. Wenn nun aber zum Beispiel Anknüpfungspunkt für solche Kontrollen die regelmäßige Einnahme von Antidepressiva (so Spiegel-online) sein soll, stellt sich die Frage ob eine solche Maßnahme überhaupt geeignet wäre. Es steht dann nämlich sogar zu befürchten, dass sich Piloten entsprechende Medikamente künftig gar nicht mehr verschreiben lassen. Damit wäre der gegenteilige Effekt einer zusätzlichen Unsicherheit verbunden. Eine solche Maßnahme wäre dann mit Sicherheit nicht geeignet im Sinne der obigen Ausführungen. Hinzu kommt, dass Antidepressiva auch bei anderen Erkrankungen, zum Beispiel chronische Schmerzen verschrieben werden. Diese müssen bei betroffenen Piloten allerdings nicht zwingend zur Fahruntauglichkeit führen.
Fazit: geplante Änderungen sind schwierig umzusetzen
Gerade die aktuell bei der Lufthansa geplanten Änderungen im Personalbereich, so sollen junge Piloten künftig nicht mehr im Konzerntarif eingestellt werden (spiegel-online vom 3.6.2015), aber auch die Diskussionen über angebliche unter Druck gesetzte kranke Piloten bei Ryanair, werden dazu führen, dass die Arbeitnehmer die Neuregelungen genau unter die Lupe nehmen.
4.6.2015